Univ.-Prof. Dr. Andreas Karwautz |
Birgit Kloth– Zum Kotzen |
Birgit Kloth- Zum Kotzen. 1992; Attempto Verlag Tübingen, ISBN: 3893081402, etwa 14 Euro (Rezension von Kristina Kokta) Birgit Kloth beschreibt in ihrem Buch die Geschichte ihrer Selbstheilung von Bulimie und Magersucht mit allen dazugehörenden Höhen und Tiefen. Authentisch schildert die Protagonistin ihre Auseinandersetzung mit der Essstörung, indem sie all ihre Gedanken und Gefühle sofort niederschreibt. Schonungslos stellt sie sich ihrer Sucht, da ihr klar ist, dass es sich hierbei um Leben oder Tod handelt. Wirklich zufrieden war die Erzählerin nie mit ihrem Körper, richtig ausgebrochen ist ihre Krankheit aber erst nachdem sie mehrere Fehlgeburten erlitten hatte. Seitdem fühlt sie sich ständig „leer“ und versucht dieses Gefühl durch übermäßige Nahrungsaufnahme zu kompensieren und sich dadurch wieder zu „füllen“. Es gibt aber auch Zeiten, in denen sie so „voll“ von Schuldgefühlen ist, da sie sich die Schuld am Tod ihrer Kinder gibt, dass sie tagelang nichts essen kann. Auch lässt sie die Angst davor, zuviel Platz einzunehmen hungern, und wenn sie es einmal nicht mehr ertragen kann, der „Seelentröster“ für all ihre Freunde zu sein, ist ihr ausgemergelter Körper ein perfektes Mittel um zu zeigen: „Seht her! Ich bin viel zu schwach um noch irgendjemanden zu (er)tragen.“ Birgit Kloth ist sich sicher, dass in jedem Menschen alle Potentiale (also auch Suchtpotentiale) – allerdings in unterschiedlich starker Ausprägung – vorhanden sind und man sie trotz ihres Vorhandenseins als Teil seiner Selbst akzeptieren muss, um ein normales Leben führen zu können. Anfangs reagierte ihre Umwelt besorgt und mitleidsvoll auf ihre Krankheit. Nachdem all ihre Hilfen und Ratschläge aber keinen Erfolg aufzeigen, wird sie von vielen als „behindert“ angesehen und auch dementsprechend behandelt: „Viele sehen in einem Süchtigen nur das, was er nicht zu leben vermag – sie be(ob)achten ihn nur in seiner Behinderung.“ (KLOTH 1992, S. 57) Nach unzähliger Therapie-, Klinik- und Selbsterfahrung erkennt sie, dass die Essstörung ein Hilfeschrei ihres Körpers ist, und sie sich demzufolge intensiv mit dessen Wünschen und Potentialen befassen muss, um sich letztendlich heilen zu können. Durch die vielen philosophischen Gedankensansätze und die vielen Wortspiele ist die Sprache des Buches sehr anspruchsvoll und um es richtig verstehen und sich hineinfühlen zu können braucht es viel Zeit. Die vielen aufgeworfenen Fragen der Autorin sind sehr gut nachvollziehbar und regen sehr zum Nachdenken an. Empfehlenswert ist dieses Buch besonders für Bulimiepatienten, da die Beziehung der Person zu ihrer Sucht im Mittelpunkt steht und man sich zwangsläufig mit all ihren Nach – und aber auch Vorteilen auseinandersetzen muss. Meiner Meinung nach ist diese Autobiographie eine der Besten, da man am Ende ganz klar erkennt, dass jeder in sich die Kraft besitzt, sich selbst zu heilen - man muss es nur auch wirklich wollen. |